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Rites sacrés Rites profanes

Zeitgenössische afrikanische Fotografie

Zeitpunkt: 17. Juni bis 1. August 2004

Kornhausforum Bern
Vernissage 16. Juni 2004

Kuratorin, Silvia Luckner

Slide-Show

Plakat, Werner Bühlmann

Während gut einem Monat wird im Kornhausforum in Bern eine Ausstellung mit zeitgenössischer afrikanischer Fotografie zu sehen sein. Die Bilder geben einen Einblick in die Fotobiennale Bamako, Mali, welche im letzten Herbst zum fünften Mal stattfand.

Die Biennale ist das weltweit wichtigste Ereignis zum Thema afrikanische Fotografie.

Unter dem Titel « Rites sacrés, rites profanes » wurden über 3500 Bilder von Fotografinnen und Fotografen des ganzen Kontinents und der Diaspora präsentiert. Das Thema, veranschaulicht, so Simon Njami, Generaldirektor der Fotobiennale, wie Riten, seien sie spirituell oder profan, die Essenz des Menschlichen abbilden: «Während die spirituellen Riten von Gott oder den Göttern besetzt sind, befassen sich die profanen Riten mit dem Individuum. Wenn wir sie auf die Fotografie anwenden, enthüllen sie unsere Beziehungen zum Problem der Repräsentation.»

Zum ersten Mal wird in der Schweiz eine Auswahl gezeigt. In Bern besteht die Chance, das zeitgenössische Fotoschaffen aus Afrika und der Diaspora als eigenständige Kunstform zu entdecken, fernab von Klischees und Vorurteilen. Mit der Ausstellung wird das Bild Afrikas von seiner ethnografischen und exotisierenden Prägung befreit und eine eigene Identität und Geschichte des Kontinents kommt zum tragen. Der Begriff Afrikanisch ist im Konzept der Ausstellung sehr weit gefasst und schliesst die Fotografinnen und Fotografen der Diaspora mit ein. Es muss darauf hingewiesen werden, dass es Afrikanische Fotografie als solche nicht gibt - der Betrachter, die Betrachterin ist konfrontiert mit fliessenden Identitäten und Brüchen in Tradition, Ideologie, Kultur und künstlerischem Ausdruck.

Die Vorstellung der Welt gerät in Frage und muss einer Wahrnehmung von Räumen weichen, in denen sich Sprachen, Nationalitäten, Religionen durchkreuzen; Menschen die sich in Grenzländer bewegen tragen dazu bei, dass Grenzen sich verlagern, nach innen, nach aussen und in sich selbst. Ein Grossteil, der Bilder ist zwischen 2000 und 2003 entstanden. Die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler repräsentieren auf vielfältige Weise die zeitgenössische afrikanische Fotografie und eröffnen auf eindrückliche Weise neue Bildwelten. Dies trifft einerseits auf technischen Aspekte ihrer Fotografien zu, aber auch auf ihre individuelle Bildsprache.

Ihre Themen reflektieren ein dichtes Spektrum über das Heute in Afrika, was dort bewegt und umtreibt. Die Sichtweisen und Darstellungsformen bewegen ich zwischen Kunst und Dokumentation. Lebenswelten, persönliche Befindlichkeiten und Anschauungen sowie soziale Wirklichkeiten sind zur Abbildung gebracht. Ein Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch viele der Arbeiten, nämlich eine Selbstbefragung, bei der die Fotografie als Medium genutzt wird, die ein Aussen, eine Distanz zum Ich herzustellen vermag.

Die Befreiung des Bildes von Afrika aus der kolonialen Perspektive wird zu einer Aufarbeitung für die FotografInnen und schafft gleichzeitig fremde wie internationale Sichtweisen. Die Ausstellung verspricht eine Begegnung mit aussergewöhnlicher, zeitgenössischer afrikanischer Fotokunst zu werden, die sich nicht nur in einer Ansammlung von Fotografien erschöpfen soll. Sie muss auch ein Ort der Debatte und der Konfrontation sein.

Die Fotografinnen und Fotografen

Jamal Benabdesslam, 1958, Marokko. Jamal Benabdesslam fotografiert seit Jahren neben seiner Tätigkeit als Psychiater in Rabat. Während verschiedenen Reisen nach Frankreich hat er mit den Fotografen Willy Ronis, Edouard Boubat oder auch der Fotografin Sabine Weiss Kontakte geknüpft. Seine Annäherung an die Fotografie ist von der humanistischen französischen Schule geprägt und ist ausschliesslich in schwarz weiss gehalten. Sei es von den Portraits bis hin zu den Reportagen. Das alltägliche Leben und die BewohnerInnen ist Inhalt der Arbeiten. Er selber sagt dazu: «Es fällt mir schwer, meine Arbeiten zu kommentieren oder Legenden für die einzelnen Bilder zu verfassen. Ich würde sie unter dem Thema, Zeugnis einer existierenden Realität und ein Moment des Austausches vereinigen.»

Salomé Prisca, 1977, Guadeloupe. Salomé Prisca studiert seit dem Abschluss der Kunstschule weiter für dasDoktorat in Paris, wo sie seit zwei Jahren lebt und arbeitet. Fäden, Baumwolle, gewobenes, mattes gewelltes Papier, sind die grundlegenden Materialien ihrer Arbeit. Die zarte und feine Erscheinung dieser Arbeit, die kleinen zusammengeführten Elemente, das Spiel mit Transparenz und Undurchsichtigkeit, geben dem Werk eine Sprache zwischen Ambivalenz und Paradox. Sie ist zugleich zusammengeflickt und fragmentarisch wie Wunden, distanziert und unmittelbar direkt, zusammengefügt die Vernarbung zurückweisend. Es ist eine fragile und sensible Arbeit.

Mohamed Camara, 1983, Mali. Mohamed Camara inszeniert sich und seine Freunde in der nächsten Umgebung von Bamako. Minutiös komponiert, mit Elementen malischer Einrichtungsgegenständen sowie mit Licht und Schatten, dem Drinnen und dem Draussen. Mit seinen Bildern treibt der Fotograf ein subtiles Spiel mit dem Alltag von jungen Maliern. Das, was bewegt, ist nicht entfernt vom Alltag von jungen Menschen in Europa. Mit kurzen Texten zu den einzelne Fotografien erzählt uns Mohamed Camara Geschichten und die sind denen der Griots verwandt.

Andrew Tshabangu, 1966, Südafrika. Andrew Tshabangu lebt und arbeitet als freier Fotograf in Soweto. Sein fotografisches Essay über die Himmelsfahrtkirche in London ist eine Teil aus dem Projekt über die religiösen Praktiken in Afrika und der Diaspora. Die Religion repräsentiert ein Faktor der Globalisation. Die weltweite Ausbreitung ermöglicht den Religionsangehörigen die ethischen und grundlegenden Werte miteinander zu teilen. Über mehrere Dekaden wurden die Afrikaner durch den Westen christianisiert. Ebenso findet eine Afrikanisierung der westlichen Gläubigen statt. Zur Zeit arbeitet Tshabangu mit René Paul Savignan, einem Fotografen aus La Réunion, an einem Projekt über Spiritualität in Südafrika und La Réunion.

Zwelethu Mthethwa, 1960, Südafrika. Zwelethu Mthethwa hat am Kunstinstitut Michaelis der Universität in Cape Town abgeschlossen. Heute ist er Professor für Fotografie an der Universitätvon Cape Town. Seine aussergewöhnlichen Portraits von Bewohnern der Townships sind in unzähligen Ausstellungen gezeigt worden. Die Serie von 1999, Sacred Homes, weckt Erinnerungen an Wachs und Staub. In gedämpften Farben ist der exstatische Moment eingefroren, wo der Mensch sich dem Spirituellen annähert. Es sind Zeremonien, wo sich die individuelle mit der gemeinschaftlichen Gläubigkeit vermischen, das Persönliche mit dem Sozialen.

Emeka Udemba, 1968, Nigeria.
Emeka Udemba arbeitet mit fotografischen sowie auch mit installativen Mitteln. Seine Arbeiten kreisen um Kommunikation und menschliche Erfahrungen in einer sozialen wie auch politischen Umgebung, welche sich an den durchscheinenden Schnittstellen offenbaren. Das manifestiert sich in seinen Fotografien wo aufgeklebte Plakate an den Mauern, Wänden und Plätzen eine
zentrale Rolle spielen. Für Emeka Udemba sind diese Plakate, meistens geklebt an unerlaubten öffentlichen Orten, Teil einer Subkultur derInformation. Ihr Inhalt, angepasst der unmittelbaren Örtlichkeit,repräsentieren das soziale und das kulturelle Leben der Gemeinschaft.

Uche Edochie, 1975, Nigeria. Uche Edochie hat das Diplom am Kunstinstitut der Universität Nsukka erworben. Seine künstlerischen Praxis umfasst Malerei, Zeichnungen, Fotografie sowie Performance und Installationen. Für diese Ausstellung hat er sich entschieden, das Thema auf seine simpelste und naheliegenste Äusserung zu reduzieren. Was scheint, so in Kürze daherzukommen wendet sich oft in kreativen Wortreichtum und Lakonie. Diese Wahl der Repräsentation kommt im wesentlichen dem Uli nahe, einer traditionellen Kunstform, im Osten von Nigeria. Die Körper- und Mauerzeichnungen sind eine Zelebrierung des Minimalismus in seiner pursten Form.

Fatimah Tuggar, 1967, Nigeria. Fatimah Tuggar lebt und arbeitet heute in New York. Davor hat sie eine Kunstausbildung in England und an der Yale Universität genossen. Für ihre Arbeiten entlehnt sie Elemente aus der Sprache der Werbung, der Unterhaltung und der Folklore. Damit untersucht sie die sozialen und kulturellen Auswirkungen von Technologie. Fatimah Tuggar verwendet technologische Mittel
in einem metaphorischen Sinn der dynamischen Machtverhältnisse, um die verschiedenen Einflüsse der Medien auf die Realität aufzuzeigen. Ihre Computermontagen vereinigen afrikanische und westliche Lebenswelten und erlauben eine minutiöse Betrachtung kultureller Differenz. Diese Nuancen zeigen Relationen auf, indem sie die Elemente zusammenbringt.

Pélagie Gbaguidi, 1965, Benin. Pélagie Gbaguidi ist in Dakar geboren und hat die Kunstschule von Liège in Belgien 1995 abgeschlossen. Sie definiert sich selber als zeitgenössische Griot Künstlerin. Seit mehr als zehn Jahren ist im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit die anthropologische Reflexion von ihrem individuellen Dasein. Sie sieht die Entwicklung der Visionen der Griots als ein Engagement für die Gesellschaft, wo sie mittels verschiedener Medien eine Brücke zwischen Traditionen und zeitgenössischen Realitäten schafft. In einem poetischen Sinn; «der Griot stellt das Individuum in seiner Umlaufbahn inFrage, indem er die Worte der Alten aufnimmt und einer Fettkugel gleich, neu modelliert um sie den Vorüberziehenden in den Bauch zu legen mit den Inhaltsstoffen ihrer Tage.»

Myriam Mihindou, 1964, Gabun. Myriam Mihindou verbrachte ihre Kindheit in Gabun. Sie hat sich an der Kunstschule von Bordeaux eingeschrieben wo sie auch mit der Erforschung des Themas «Rupture et Sevrage» begonnen hat. Abbruch und Entwöhnung befragt das Verhältnis der Personen im Exil zu dem beherbergenden Ort. In La Réunion hat sie zusammen mit Musikern, Schriftstellern und Bildhauern bereichernde Erfahrungen gesammelt. In der Einzelausstellung, «Tout le monde a peur», - alle haben Angst, konnte man ihre Fotografien entdecken, veritable Skulpturen. Die ausgestellte Arbeit "Relique d'un corps domestique", - Relikt eines domestizierten Körpers, verfolgt weiter die Vorstellung von einem weiblichen Körper, der mit seiner Ikonenhaftigkeit gebrochen hat. Die verwendete Bildsprache ist sowohl poetisch wie auch gewalttätig.

Susan Hefuna, 1962, Ägypten Deutschland. Susan Hefuna ist zwischen zwei Kulturen aufgewachsen und hat gelernt, dass diese von verschiedenen religiösen Ansichten geprägt sind. Multikultur und Migration sind die Elemente ihrer eigenen Biografie. In ihrer fotografischen Arbeit spielt sie mit den überlappenden strukturellen Schemen, alles was in den westlichen Augen als Differenz erscheint, interessant oder exotisch, kennt sie seit immer schon. Mit der Wahl der Lochkamera, einer anachronistischen Technologie, setzt sie das Nahe in die Ferne einer Vergangenheit, die so nie existiert hat.

Hala El Koussy, 1974, Ägypten. Hala El Koussy lebt in Kairo, wo sie als Fotografin arbeitet sowieFotografie an der amerikanischen Universität unterrichtet. Seit 2000 konzentriert sie sich vorwiegend auf Projekte, welche die Probleme der Kommunikation und der Nahrungsmittelpolitik zum Inhalt haben. Sie weiss um die Kraft der Fotografie, Realität zu repräsentieren. In Ihrer Arbeit (Re)Konstruktion versetzt sie die Betrachter in eine ambivalente Illusion, festgehaltene Momente städtischen Lebens, die bekannt erscheinen aber zur selben Zeit wirken sie kaum natürlich durch ihren ätherischen Aspekt. Ihre eigenen Erinnerungen, real oder vorgestellt, ihre fotografischen Konstruktionen ermöglichen einen ganz speziellen Ort zu spüren, im Wissen, dass durch das Medium die Natur fiktiv ist.

Maha Maamoun, 1972, Ägypten. Maha Maamoun studierte an der amerikanischen Universität in Kairo Ökonomie. Ihre Arbeiten haben oft die Stadt und den Versuch, sie zu zähmen, zum Inhalt. Die Urbanität des heutigen Kairos bildet den Hintergrund zu den Blumenstoffen, die von ägyptischen Frauen getragen werden. Gleichzeit, wie diese Stoffe einen starken Kontrast zu der Umgebung bilden, verweigern die Fotografien den konventionellen Code von Portraits. Die Sujets von Maha
Maamoun sind nichts weiter als Arme, Beine, Schenkel die aus dem Kontext genommen sind um die physische Nähe zu reflektieren, die man in Kairo antrifft. Die groben Zeichen der Grossstadt verwandeln sich in Landschaften und bilden den Rahmen zu den Quasiportraits. Gedruckt auf grossen Bannern, Werbeträgern gleich, vermitteln die Bilder eine Vision der Inspiration dieser Stadt.

Youssef Nabil, 1972, Ägypten. Youssef Nabil's Arbeiten wurzeln in der Kunst des Portraits und dessen Tradition, dennoch bleibt seine Sprache unabhängig und zeitgenössisch. Er erforscht das Potential des Bildnisses an den Grenzen, nimmt Bezug auf dessen Geschichte und schafft persönliche Ikonen. Den Gebrauch der schon fast vergessenen Methode der Handkolorierung geben den Bildern einen historischen Anstrich und die schon fast cinematographisch angeordneten Szenen kreieren eine Mehrdeutigkeit im heutigen digitalen Zeitalter.

Jack Ben-Thi, 1951, La Réunion. Jack Ben-Thi hat sich nach seinem Kunststudium in Toulouse und an der Universität in Paris der Untersuchung von Identitäten gewidmet. In seinen Installationen mischen sich organische Materialen wie Erde, Pflanzenfasern und Fotografie. An den Biennalen von Havanna und Uppsala haben sich seine Projekte um NUR (Natur, Utopie, Realität) verdichtet. Das Medium Fotografie ist der hauptsächliche Vektor in seinen Montagen, die allegorisch die unmittelbare Körperlichkeit aufnehmen und somit die verschiedenen Dramen der Insel und deren Bewohner versinnbildlichen.

René Paul Savignan, 1970 La Réunion. René Paul Savignan arbeitet immer wieder an Langzeitprojekten. Eines seiner ersten Themen war der Reisanbau in der Region Ambatondrazaka in Madagaskar, die er unter dem Titel "Brizure" ausstellte. Er setzt sich mit Spiritualität und religiösen Gemeinschaften in Südafrika und La Réunion auseinander. Zusammen mit Andrew Tshabangu, einem südafrikanischen Fotografen, arbeitet er seit 2000 an diesem Projekt. Die stimmungsvollen und stillen schwarz-weiss Bilder vermitteln einen Eindruck der Zusammengehörigkeit, der Verschworenheit und gleichzeitig lassen sie den Betrachter teilhaben. Die strengen Ausschnitte lassen Raum, die eigenen spirituellen Handlungen sowie die profanen Inhalte zu reflektieren.

Sophie Elbaz, 1960, Frankreich, Algerien. Sophie Elbaz ist in Paris geboren. 1983 schrieb sie sich am ICP in New York ein. Drei Jahre später baute sie das Netz für Reuters in Afrika auf, bevor sie der Agentur Sygma beitrat. Im Jahr 2000 hat sie sich in Marseille niedergelassen und verfolgt seitdem konsequent ihre künstlerische Arbeit und die Untersuchungen organischer Farben. Diese Entwicklung bringt sie in eine völlig andere Welt der Darstellung und in eine Welt der Emotionalität. Der Prozess der Subtraktion wo sich mit der Fotochemie die Begriffe schrittweise verändert und dadurch wird aufgezeigt, was Fotografie ist.

Aminata Kone, Mali.
Fatoumata Diabaté, Mali


Patronat: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA
In Zusammenarbeit mit dem Kornhausforum, Bern

Mit Unterstützung von: Helvetas, Pro Helvetia, Stanley Thomas Johnson-Stiftung, Kulturamt Bern et le support de L'AFAA, Ministere de la Culture, Mali, Europäische Union

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